wir sind ja so gläsern!
der große bruder hat seine augen ja überall. wir steigen in u-bahnen ein, bzw. warten auf solche, und irgendwo schaut uns eine videokamera zu, ganz verträumt in ihrem digitalen halbschlaf. die bilder, die sie filmt laufen alle irgendwo in einem zentralen rechner zusammen, der irgendwann mittels gesichtskontrolle (oder sogar iris-abstimmung, wie in "minority report") jeden aus der menge filtern kann; dann wird es mit dem zeitungsfladern am sonntag haarig. da aber die zeitungen ja auch in papierkontainern zu finden sind (und auch eine woche später noch langweilig sind) geht da wenig verloren.
der große bruder muss sehr gelangweilt sein: da stehen leute am bahnsteig und fotografieren die monitore, die sie selber zeigen, gähn! naja, es ist ja auch schon fast halb zwölf uhr nachts, die stadt legt sich zur ruhe, aber die monitore und die videokameras laufen weiter. die ganze nacht lang.
manchmal tut sich was: ein plastiksackerl fliegt irgendwo durch die luft, ganz einsam tanzt es seinen tanz, nur aufgezeichnet von einer einsamen videokamera, die traurig diesem tanz zuschaut, dieses ereignis registriert.
dem großen bruder ist nachts sicher sehr langweilig. vielleicht sieht er sich ein paar nette videos an, von unter tags, wenn was los ist. menschen die in trauben vor geschäften stehen, menschenmassen, die über einkaufsstraßen hetzen... unmöglich, einen herauszupicken.
der große bruder ist gelangweilt. es ist so vieles zu registrieren, dass nichts hängenbleibt.
david ramirer - Mittwoch, 13. Dezember 2006, 12:07