brief an einen freund, den ich zwei jahre nicht gesehen hatte
Lieber Freund!
Die Zeit rast unaufhaltsam dahin, aus den Adern des Lebens ergießen sich Ströme von Erinnerung, nichts hält uns fest, alles läßt uns nur weiter, immer weiter. Metallener Glanz und gläserne Reflexe stimmen in Dissonanz zu unserer so zerbrechlichen Hülle ihre Instrumente, und spielen UNS; nicht mich, nicht allein dich; nein: UNS allen wird vom Leben etwas vor- und an uns abgespielt. Was bleibt uns süßeres, als an diesem oftmals dunklen, manchmal nahezu unhörbaren, jedenfalls aber immer klangmächtigen Symphoniefragment unseren Anteil beizutragen? Nur die Auflehnung bleibt uns, lieber Freund, der verbissene Versuch, in ein wohlgesetztes Geflecht aus Dissonanzen und Harmonien eine Ahnung unseres anderen Willens hineinzusetzen: kaum versucht aber, verebbt es schon und wird zum passendsten Akkord... in diesem Universum gibt es keine Auflehnung.
Wie sollte mir ein Freund, wie du einer bist, fehlen? Ist der Raum zwischen zwei Freunden nicht lediglich Illussion? „Fäden“ – wie du schreibst – sind bei Dingen, die verbunden sind: nicht nötig.
Natürlich, sich ein paar Jahre nicht zu sehen, das alarmiert fast jede Konvention von Nähe, das lässt alle bürgerlichen Klischees von Freundschaft vor Scham erröten.
In (kleinst-)bürgerlichen Strukturen gibt es keine Ewigkeit. Bürger müssen sich festhalten am Haltlosen; Wollen einzementieren, umklammern, und fürchten den Tod wie den Tod wie den Teufel, wie sich selbst.
Wenn du, lieber Freund, unsere Musik hörst, die wir damals gemeinsam erschaffen haben, fühlst du dann, wie „jetzt“ das ist? Derartige Dinge sind seltener und wertvoller und wunderbarer als alles andere... Freundschaft grundsätzlich; gekrönt von stimmigstem Zusammenklang. Keine theoretische Diskussion am Gasthaustisch, keine hormonelle Aufkochung des Gefühlsapparates... nichts ist daran messbar. Nichts damit vergleichbar.
In deinem Leben, lieber Freund, sind viele Dinge zu tun... in meinem auch. Die Zeit hat uns zueinandergeführt, wir erkannten einander und gebährten unsere Freundschaft. Diese lebt. Nicht nur in der Vergangenheit lebt sie: sie bricht aus den Urmeeren hervor und durchzieht alle Geschichte mit ihrem roten Seidenband, greift über auf andere Bänder, und an diesem Netz knüpfen wir beide weiter.
Alle Elemente stehen uns zu Gebote, und wir tun, was wir wollen. Bisweilen wollen wir auch, was wir tun.
Manchmal bleiben keine Zwischenräume, aber das ist lediglich selten möglich. Wäre es zu oft, würde es nicht so wirken, und auf die Wirkung des Gewebes kommt es an.
Wisse mich also an deiner Seite, lieber Freund,
und lass von dir hören.
Liebe Grüße
Dein Freund David
Die Zeit rast unaufhaltsam dahin, aus den Adern des Lebens ergießen sich Ströme von Erinnerung, nichts hält uns fest, alles läßt uns nur weiter, immer weiter. Metallener Glanz und gläserne Reflexe stimmen in Dissonanz zu unserer so zerbrechlichen Hülle ihre Instrumente, und spielen UNS; nicht mich, nicht allein dich; nein: UNS allen wird vom Leben etwas vor- und an uns abgespielt. Was bleibt uns süßeres, als an diesem oftmals dunklen, manchmal nahezu unhörbaren, jedenfalls aber immer klangmächtigen Symphoniefragment unseren Anteil beizutragen? Nur die Auflehnung bleibt uns, lieber Freund, der verbissene Versuch, in ein wohlgesetztes Geflecht aus Dissonanzen und Harmonien eine Ahnung unseres anderen Willens hineinzusetzen: kaum versucht aber, verebbt es schon und wird zum passendsten Akkord... in diesem Universum gibt es keine Auflehnung.
Wie sollte mir ein Freund, wie du einer bist, fehlen? Ist der Raum zwischen zwei Freunden nicht lediglich Illussion? „Fäden“ – wie du schreibst – sind bei Dingen, die verbunden sind: nicht nötig.
Natürlich, sich ein paar Jahre nicht zu sehen, das alarmiert fast jede Konvention von Nähe, das lässt alle bürgerlichen Klischees von Freundschaft vor Scham erröten.
In (kleinst-)bürgerlichen Strukturen gibt es keine Ewigkeit. Bürger müssen sich festhalten am Haltlosen; Wollen einzementieren, umklammern, und fürchten den Tod wie den Tod wie den Teufel, wie sich selbst.
Wenn du, lieber Freund, unsere Musik hörst, die wir damals gemeinsam erschaffen haben, fühlst du dann, wie „jetzt“ das ist? Derartige Dinge sind seltener und wertvoller und wunderbarer als alles andere... Freundschaft grundsätzlich; gekrönt von stimmigstem Zusammenklang. Keine theoretische Diskussion am Gasthaustisch, keine hormonelle Aufkochung des Gefühlsapparates... nichts ist daran messbar. Nichts damit vergleichbar.
In deinem Leben, lieber Freund, sind viele Dinge zu tun... in meinem auch. Die Zeit hat uns zueinandergeführt, wir erkannten einander und gebährten unsere Freundschaft. Diese lebt. Nicht nur in der Vergangenheit lebt sie: sie bricht aus den Urmeeren hervor und durchzieht alle Geschichte mit ihrem roten Seidenband, greift über auf andere Bänder, und an diesem Netz knüpfen wir beide weiter.
Alle Elemente stehen uns zu Gebote, und wir tun, was wir wollen. Bisweilen wollen wir auch, was wir tun.
Manchmal bleiben keine Zwischenräume, aber das ist lediglich selten möglich. Wäre es zu oft, würde es nicht so wirken, und auf die Wirkung des Gewebes kommt es an.
Wisse mich also an deiner Seite, lieber Freund,
und lass von dir hören.
Liebe Grüße
Dein Freund David
david ramirer - Sonntag, 3. September 2006, 00:03
danke,
er "fiel einfach aus mir heraus".