kunst in der krise
das geld wird knapp! - die unbarmherzige weltweite wirtschaftskrise definiert in den vergangenen monaten neu, wo der kaviar aufs brot kommt und aber auch, wo mühsam angehäufte existenzen in form von zahlen auf nun auch praktisch wertlosem papier in sich zusammenbrechen.
auch die bildende kunst hat dank dieser entwicklung endlich die unbezahlbare möglichkeit, ihre in den letzten jahren zur schau getragene dekadente haltung neu zu kalibrieren und die preise, werte und inneren gesinnungen neu zu überdenken. waren noch vor wenigen monaten die werke von international hochrangigen künstlern zu mehrstelligen tausend-euro-beträgen für den wenigverdienenden mann (und dessen frau) auf der straße kaum erschwinglich, konnten sich nur adlige, neureiche und staatliche museen die bilder anschaffen, bricht dieser teil des kunstabsatzmarktes nun vollkommen weg und die kunstwelt besinnt sich - dank der krise - wieder an die eigentliche bestimmung: das volk zu erfreuen. es werden künstlerische ausbildungsstätten gnadenlos geschlossen (die nachricht, dass die akademie der bildenden künste und die hochschule für angewandte kunst in wien ihre tore wegen wirtschaftlicher sinnlosigkeit schließen, hat drei lange sekunden lang die kulturwelt erschüttert), galerien an lebensmittelketten verkauft, museen werden zu... museen.
die künstler drängen dagegen - den widrigen umständen in witterung und finanzlage zum trotz - auf die straßen und platzieren ihre werke nun nur noch im öffentlichen raum, vielfach unbeachtet von der in dieser hinsicht noch kaum geschulten öffentlichkeit, die erst wieder lernen muss, sich großer kunst ungezwungen zu nähern, sich selbst auch wieder - mehr noch als im sinne von beuys - als teil der kunst zu begreifen.
es sind sensible, aber auch verstörende werke, die diese neue generation von künstlern liefert. ich möchte anhand dreier exponate zeigen, auf welch haptisch berührende weise die differenzen zwischen kapitalismus und mimetischem fortschritt uns in diesen tagen erreichen...
Mark Blauko (Wien) - "Ich stehe zur Verfügung"
Eisen, Schnee, Stahlgitter
die verlorenheit des individuums in einer kalt gewordenen welt steht im mittelpunkt von blaukos arbeiten. in seinem neuesten werk, für das er viele monate im untergrund budapests recherchierte, treffen sich zwei nur für den oberflächlichen betrachter gleiche farbfelder ("colourfields") in letzter konsequenz - nicht. doch die hoffnung auf ein zusammentreffen ist als subtile option eingearbeitet. blauko, der auf diese weise seine langjährig erfolglosen versuche reflektiert, "mit der kunst zu geld zu kommen", sagt dazu: "beide teile berühren sich nicht. aber wissen wir das mit sicherheit? nein - das tun wir nicht. unter der oberfläche ist immer mehr...". die wirtschaft als alles unterwandernder fluß, der auch in zeiten der krise da ist, hoffnung gibt. blauko gelingt so, was vielen künstlern "alter garde" niemals gelang: erwartung aufzubauen, trost zu spenden.
***
Henryette Maoure (Paris) - "Liegende"
Schnee, Dreck
das eis und der schnee als gestaltendes element in der kunst ist nichts neues: eisskulpturen und schneemänner bevölkern seit vielen jahrhunderten die kälteren regionen der erde und erfreuen die kinder und sind teil des brauchtums. henryette maoure, die als kind afrikanischer einwanderer in paris das geographische phänomen schnee erst im alter von 12 jahren zum ersten mal gesehen hat, sieht in der formbaren temporären masse eine matritze tiefliegender soziokultureller optionen, die oft ungenutzt am wegesrand liegenbleiben. der schnee wird mit dreck von den autos besudelt und verliert seine unschuld - genau wie der nackte mensch in der bildenden kunst, der im laufe der kunstgeschichte immer wieder als projektionsfläche und verstümmelt vorgeschobenes zentral-thema herangezogen wurde. maoure stellt diesen fehlgeleiteten humanismus, der in eine neue sklaverei geführt hat, mit ihren werken immer wieder erfolgreich in frage und führt hinaus aus einer nur formzentrierten sichtweise, hin zu seelischen verwerfungen der sichtbaren strukturen, die in der form noch nie geschaut wurden.
***
Karl Ztirfl (Amstetten) - "Luftleuchte"
Metall, Glas, Lampe
luft und licht - beides symbolische elemente, die auch in der kalten jahreszeit genügend vorhanden sind. wärme und nahrung - davon ist weniger vorhanden, und die wärme des in dieser plastik emitierten lichtes ist gering. doch die tellurische verbindung der basis des kaum verklausuliert phallischen monolithen führt zum urstrom selbst, und die wärme lässt den schnee weichen, wenn auch nur für wenige zentimeter. es sind die ganz subtilen, tief verborgenen botschaften, die ztirfl immer wieder in seinen werken aktiviert. er hat seiner heimatstadt ein verstörendes mahnmal gewidmet. ztirfl geht aber noch weiter: "ich will, dass meine kunst berührt (wird). ich plane solche lampen an vielen orten anzubringen, damit sich obdachlose und daher aus kulturell nachvollziehbaren gründen wärme suchende menschen daran wärmen können. so könnten sich inseln der geselligkeit im kargen einsamkeitsbrei der stadt bilden." ztirfls urbane visionen zeigen den weg in ein neues utopia, wo sich der humanismus wieder aus gut fundierten gründen kumuliert.
auch die bildende kunst hat dank dieser entwicklung endlich die unbezahlbare möglichkeit, ihre in den letzten jahren zur schau getragene dekadente haltung neu zu kalibrieren und die preise, werte und inneren gesinnungen neu zu überdenken. waren noch vor wenigen monaten die werke von international hochrangigen künstlern zu mehrstelligen tausend-euro-beträgen für den wenigverdienenden mann (und dessen frau) auf der straße kaum erschwinglich, konnten sich nur adlige, neureiche und staatliche museen die bilder anschaffen, bricht dieser teil des kunstabsatzmarktes nun vollkommen weg und die kunstwelt besinnt sich - dank der krise - wieder an die eigentliche bestimmung: das volk zu erfreuen. es werden künstlerische ausbildungsstätten gnadenlos geschlossen (die nachricht, dass die akademie der bildenden künste und die hochschule für angewandte kunst in wien ihre tore wegen wirtschaftlicher sinnlosigkeit schließen, hat drei lange sekunden lang die kulturwelt erschüttert), galerien an lebensmittelketten verkauft, museen werden zu... museen.
die künstler drängen dagegen - den widrigen umständen in witterung und finanzlage zum trotz - auf die straßen und platzieren ihre werke nun nur noch im öffentlichen raum, vielfach unbeachtet von der in dieser hinsicht noch kaum geschulten öffentlichkeit, die erst wieder lernen muss, sich großer kunst ungezwungen zu nähern, sich selbst auch wieder - mehr noch als im sinne von beuys - als teil der kunst zu begreifen.
es sind sensible, aber auch verstörende werke, die diese neue generation von künstlern liefert. ich möchte anhand dreier exponate zeigen, auf welch haptisch berührende weise die differenzen zwischen kapitalismus und mimetischem fortschritt uns in diesen tagen erreichen...
Mark Blauko (Wien) - "Ich stehe zur Verfügung"
Eisen, Schnee, Stahlgitter
die verlorenheit des individuums in einer kalt gewordenen welt steht im mittelpunkt von blaukos arbeiten. in seinem neuesten werk, für das er viele monate im untergrund budapests recherchierte, treffen sich zwei nur für den oberflächlichen betrachter gleiche farbfelder ("colourfields") in letzter konsequenz - nicht. doch die hoffnung auf ein zusammentreffen ist als subtile option eingearbeitet. blauko, der auf diese weise seine langjährig erfolglosen versuche reflektiert, "mit der kunst zu geld zu kommen", sagt dazu: "beide teile berühren sich nicht. aber wissen wir das mit sicherheit? nein - das tun wir nicht. unter der oberfläche ist immer mehr...". die wirtschaft als alles unterwandernder fluß, der auch in zeiten der krise da ist, hoffnung gibt. blauko gelingt so, was vielen künstlern "alter garde" niemals gelang: erwartung aufzubauen, trost zu spenden.
***
Henryette Maoure (Paris) - "Liegende"
Schnee, Dreck
das eis und der schnee als gestaltendes element in der kunst ist nichts neues: eisskulpturen und schneemänner bevölkern seit vielen jahrhunderten die kälteren regionen der erde und erfreuen die kinder und sind teil des brauchtums. henryette maoure, die als kind afrikanischer einwanderer in paris das geographische phänomen schnee erst im alter von 12 jahren zum ersten mal gesehen hat, sieht in der formbaren temporären masse eine matritze tiefliegender soziokultureller optionen, die oft ungenutzt am wegesrand liegenbleiben. der schnee wird mit dreck von den autos besudelt und verliert seine unschuld - genau wie der nackte mensch in der bildenden kunst, der im laufe der kunstgeschichte immer wieder als projektionsfläche und verstümmelt vorgeschobenes zentral-thema herangezogen wurde. maoure stellt diesen fehlgeleiteten humanismus, der in eine neue sklaverei geführt hat, mit ihren werken immer wieder erfolgreich in frage und führt hinaus aus einer nur formzentrierten sichtweise, hin zu seelischen verwerfungen der sichtbaren strukturen, die in der form noch nie geschaut wurden.
***
Karl Ztirfl (Amstetten) - "Luftleuchte"
Metall, Glas, Lampe
luft und licht - beides symbolische elemente, die auch in der kalten jahreszeit genügend vorhanden sind. wärme und nahrung - davon ist weniger vorhanden, und die wärme des in dieser plastik emitierten lichtes ist gering. doch die tellurische verbindung der basis des kaum verklausuliert phallischen monolithen führt zum urstrom selbst, und die wärme lässt den schnee weichen, wenn auch nur für wenige zentimeter. es sind die ganz subtilen, tief verborgenen botschaften, die ztirfl immer wieder in seinen werken aktiviert. er hat seiner heimatstadt ein verstörendes mahnmal gewidmet. ztirfl geht aber noch weiter: "ich will, dass meine kunst berührt (wird). ich plane solche lampen an vielen orten anzubringen, damit sich obdachlose und daher aus kulturell nachvollziehbaren gründen wärme suchende menschen daran wärmen können. so könnten sich inseln der geselligkeit im kargen einsamkeitsbrei der stadt bilden." ztirfls urbane visionen zeigen den weg in ein neues utopia, wo sich der humanismus wieder aus gut fundierten gründen kumuliert.
david ramirer - Freitag, 5. Februar 2010, 21:12
kunst demnächst ;)